<HTML>ARD, Kultur-Report, 14.3.2004
Das hässlichste Land Europas - Was ist los mit Dutroux Belgien?
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Auszüge:
Marc Dutroux. Die Belgier nennen ihn das Monster. Er ist längst zum Synonym geworden für den Niedergang eines ganzen Landes. Kinderschänder und Mörder gibt es überall - aber für Belgien ist sein Fall ein nationale Katastrophe.
Hoch über Brüssel ragt der bombastische Justizpalast: größer als der Petersdom, groteskes Monument und fatales Symbol. Denn fast acht Jahre hat es gedauert, bis eine marode Justiz den Prozess gegen Dutroux überhaupt eröffnete. Es war zu lange etwas faul in diesem Staat, sagt der angesehene Schriftsteller Pierre Mertens. Der Fall Dutroux hat die belgische Gesellschaft aufgeweckt. Als die Verbrechen ans Licht kamen und mit ihnen das tragische Versagen von Polizei und Justiz, da wurde offenbar, wie sehr man sich bisher, wenn etwas nicht funktionierte, irgendwie durchgewurschtelt hat - von notwendigen Veränderungen wollte niemand etwas wissen.
Mertens stellt fest: "Im Fall Dutroux herrschte das Gefühl vor, alles Wichtige bleibt verborgen, das Geheimnis wird nie aufgeklärt werden; aber ich glaube, dass aus der Ohnmacht auch so etwas wie Zivilcourage entstanden ist. Die Leute wollen Aufklärung. Weder die Justiz noch die Politik oder das Parlament konnten nach diesem Fall so weiter machen, wie bisher.
Wut, Enttäuschung, Zorn. 300.000 Menschen gingen am 20. Oktober 1996 auf die Straße - der legendäre weiße Marsch, die größte Demonstration in der belgischen Geschichte. Im Protest der Belgier gegen ihre Justiz steckte aber noch ein tieferer Unmut. Sie hielten es nicht mehr aus in ihrem eigenen Land.
Verdacht auf hochrangige Auftraggeber, Ermittler begehen Selbstmord, 20 Zeugen kommen um... Worauf können die Menschen in diesem Land überhaupt noch zählen?
"Man hat das Gefühl in einem Staat zu leben, in dem es äußerst mühsam ist, Gerechtigkeit zu finden und an die Justiz zu glauben. Eine Art Selbsthass ist das fast schon für uns Belgier, ein Generalverdacht gegen alle Institutionen, eine große Frustration“, meint Mertens.
Und nach außen hat das Land längst ein Imageproblem. Kultureller Reichtum, Vielfalt, gute Küche - an all das denkt in Europa kaum noch jemand beim Stichwort Belgien.
Der Fall Marc Dutroux. Nie war es finsterer im Schwarzen Loch Belgien. Nur wenn das Land diesen Sumpf aus Kriminalität, Korruption und veralteten Strukturen austrocknet, hat es eine Chance, mit sich selbst ins Reine zu kommen.</HTML>