<HTML>Focus 21.11.05, S. 3 und online:
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BND gegen FOCUS: noch schlimmer
Chefredakteur Helmut Markwort - Tagebuch 2005/47
Die Affäre war peinlich, aber sie schien beendet. Mit einer ungewöhnlichen Geste hatte sich August Hanning, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, öffentlich dafür entschuldigt, dass Observationskommandos unseren Kollegen Josef Hufelschulte neun Monate lang ausgespäht hatten. Mit allen Tricks und Täuschungen, die wir aus Spionagefilmen kennen, hatten sie den Redakteur eingekreist, samt Familie und Nachbarschaft.
Sie wollten ausschnüffeln, wie er lebt, wie er arbeitet und mit wem er sich trifft. Vordergründig ist die staatliche Anstrengung ein Kompliment für Hufelschulte und FOCUS, weil seine Berichte zum Thema Innere Sicherheit meist exklusiv waren und hohe Kennerschaft verrieten. Aber wir pfeifen auf Komplimente dieser Art. Sie sind ein gesetzwidriger Angriff auf die Freiheit der Presse, auf den Schutz unserer Informanten und auf das Recht, wahrheitsgemäß zu berichten. Sprecher der Parteien haben die Schnüffelei mit Steuergeldern inzwischen angeprangert und wollen im Bundestag debattieren. Sie können das Thema gleich erweitern.
Seit heute wissen wir, dass die Zielperson Hufelschulte nicht nur neun Monate, sondern drei Jahre lang von Staatsdienern überwacht wurde. Eine interne Untersuchung im BND hat ergeben, dass ein Sonderkommando, eine Art „Dienst im Dienst“, hemmungslos Journalisten bespitzelt hat. Das ist zumindest die offizielle Version fürs Kanzleramt. Ob wirklich mehrere Präsidenten nicht mitbekommen haben, was ihre Untergebenen treiben, scheint höchst fragwürdig. Wir kennen ja aus Filmen und Büchern über ausländische Geheimdienste die Sonderkommandos, deren Existenz ihre Chefs bestreiten.
Die deutschen Dienste galten bisher nicht als exotisch genug für solche Stoffe. Vielleicht ermittelt ja ein Untersuchungsausschuss Fakten, die BND-Methoden auf eine Stufe stellen mit denen der amerikanischen CIA, des britischen MI6 und des französischen DGSE. Deretwegen muss hin und wieder ein Minister zurücktreten. Wegen Ahnungslosigkeit.</HTML>