<HTML>Focus-online 22.07.05
GIs wollen Gegner grillen
Die US-Armee möchte ab 2006 Mikrowellen-Strahler als „nichttödliche“ Waffen einsetzen.
Von Michael Odenwald
Bislang geheim gehaltene Tests zeigen aber, dass die Strahlenkanonen Menschen deutlich stärker schädigen können als gedacht.
Eigentlich klingt die Idee verlockend: Waffen, die nicht töten, sondern nur Schmerzen auslösen, könnten von Polizei und Streitkräften gegen Aufständische oder gewalttätige Demonstranten eingesetzt werden. Eine solche Waffe ist ein Mikrowellenstrahler, der auf Jeeps montiert wird. Trifft der Strahl auf menschliche Haut, wird das Gewebe erhitzt.
Unerträgliche Schmerzen nach fünf Sekunden
Nach nur zwei bis drei Sekunden Einwirkung erzeugen die Mikrowellen-Pulse starke Schmerzen, die nach etwa fünf Sekunden unerträglich werden. Dauerhafte Schäden an der Haut oder inneren Organen soll es aber nicht geben. Getroffene, so das Kalkül, suchen Deckung oder laufen davon. Ansammlungen von Störern lassen sich dadurch auflösen.
Erste Tests mit der Strahlenwaffe wurden in den Jahren 2003 und 2004 in der Kirtland Air Force Base in Albuquerque (US-Staat New Mexico) durchgeführt. Die Ergebnisse hielt das US-Verteidigungsministerium jedoch geheim.
Ergebnisse der Experimente
Jetzt aber erzwang die Anti-Biowaffen Organisation „Sunshine Project“ die Veröffentlichung der Testdaten, ein spezielles Gesetz („Freedom of Information Act“) verpflichtete die Militärs zur Aufgabe der Geheimhaltung. Die Experimente, so zeigte sich, wurden unter sehr unrealistischen Bedingungen durchgeführt. So mussten Freiwillige, die sich dem Schmerzensstrahl aussetzten, zuvor Brillen und Kontaktlinsen absetzen, um Schäden an den Augen zu vermeiden: Die Gläser und Linsen können den hitzeerzeugenden Strahl in den Augen bündeln.
Verbrennungen durch Metallgegenstände
Bei Rollenspielen, in denen sie Aufständische mimten, durften die Probanden auch keine metallischen Objekte wie Münzen oder Schlüssel mitführen: Diese könnten sich unter Mikrowellen-Beschuss überproportional erhitzen und Verbrennungen herbeiführen. Gleiches gilt für bestimmte Teile der Bekleidung, etwa Reißverschlüsse. Damit aber, kritisiert Neil Davison, ein Experte für nichttödliche Waffen an der britischen University of Bradford, werde der praktische Nutzen der Strahlenwaffen zweifelhaft.
Denn es sei kaum möglich, ihre Dosis so zu verteilen, dass sie für einzelne Übeltäter unter der Verletzungsschwelle liegt. „Was geschieht, wenn sich jemand, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr aus dem Strahl retten kann? Wie kann das Waffensystem solche Menschen erkennen?“, fragt Davison.
„Sheriff“ soll im Irak eingesetzt werden
Dass der Einsatz der Strahler Gesundheitsrisiken birgt, zeigt auch ein Vorfall bei einem der Tests in Albuquerque: Obwohl die Testpersonen bei einem Treffer die Hand hoben, um Dauerbeschuss zu vermeiden, erlitt einer der Freiwilligen ernsthafte Verbrennungen, weil die Strahlintensität versehentlich zu hoch eingestellt war. Trotz der ungelösten Fragen will die US-Armee nach Angaben des Pentagon die Strahlenkanone unter der Bezeichnung „Sheriff“ im kommenden Jahr im Irak einsetzen. Forschungsinstitute arbeiten derweil an tragbaren Versionen für die Kommandos der US-Marines und die Polizei.</HTML>