<HTML>Ein weiterer Auszug aus dem Spiegel-Artikel:
"Die Veröffentlichung der Versuche im Jahre 1973 im angesehenen
Wissenschaftsmagazin 'Science' ('Vom Normalsein in verrückter Umgebung')
erschütterte die Glaubwürdigkeit der Psychiatrie. Die Selbstversuche hatten die
Willkür der Nervenärzte entlarvt. Der Psychologe Rosenhan hatte die Kernfrage
ihres Fachs aufgeworfen: Nach welchen Kriterien eigentlich bestimmen Psychiater
die Grenze zwischen gesund und krank? Schlüssig lässt sich die bis heute nicht beantworten - alles in der Nervenheilkunde ist eine Frage der Definition. Dem Eifer von Psychiatern öffnet das Tür und Tor. Unverdrossen deuten sie normales Verhalten in behandlungswürdiges Gebaren um und erfinden immer neue Seelenleiden. Die Zahl seelischer Krankheiten hat denn auch eine rasante Vermehrung erfahren.
Im Katalog der amerikanischen Veteran's Administration waren nach dem Zweiten
Weltkrieg gerade einmal 26 Störungen notiert. Der jetzt gültige 'Diagnostic and
Statistical Manual of Mental Disorders' (DSM-IV) der Vereinigung der
amerikanischen Psychiater führt indes 395 verschiedene Krankheiten auf, die man
diagnostizieren und folglich abrechnen kann.
Manche Psychiater treiben ihre Diagnosen inzwischen so weit, dass am Ende wir
alle etwas haben. Asmus Finzen, skeptischer Nervenarzt vom Universitätsspital
Basel, hat die Angaben zur Verbreitung der seelischen Krankheiten aus dem
Katalog DSM-IV einmal addiert. Demnach leiden zu jedem beliebigen Zeitpunkt 58
Prozent der Bevölkerung an irgendeiner Form von Persönlichkeitsstörung..."</HTML>